Fast schon Tradition hat das in Speyer im September 2022 auf Initiative des Fördervereins Landesarchiv Speyer e.V. durchgeführte Forum für Nachwuchshistoriker*innen. Die Leiterin des Landesarchivs, Gisela Fleckenstein, konnte neben den sechs ReferentInnen fast 60 Gäste im Foyer von Landesarchiv und Pfälzischer Landesbibliothek begrüßen. Erwartungsgemäß souverän moderiert wurde die Abendveranstaltung von ihrem Amtsvorgänger Walter Rummel. Zwei Projekte aus dem schulischen Bereich bildeten den Auftakt des Forums. Die Schülerin Tamina Bomm, Paul-von-Denis-Gymnasium Schifferstadt, referierte über „Illegale Auswanderung nach dem Novemberpogrom unter Beteiligung der Israelitischen Kultusgemeinde Ludwigshafen“. Der beeindruckende Vortrag war eine Erweiterung ihrer Facharbeit. Sie beschäftigte sich mit dem Schicksal der Lehrerfamilie Sigmund und Bertha Marx und ihren beiden Söhnen. Die Eltern, der Vater war nach dem Pogrom einige Wochen im KZ Dachau, konnten ihren jüngeren Sohn Ernst bei einem Kindertransport nach Frankreich begleiten. Ernst Marx wurde unter den Schutz der OSE (Oeuvre de secours aux enfants) gestellt. Sigmund Marx wurde 1942 nach Drancy überstellt und dann in Ausschwitz ermordet. Die überlebenden Mitglieder der Familie wanderten 1947 in die USA aus.
Die Stolperstein-AG des Max-Planck-Gymnasiums Trier, bestehend aus elf Mitgliedern, hatte drei Schülerinnen nach Speyer entsandt, die die vielfältigen Aktivitäten der AG anhand von Beispielen vorstellten: Reinigung bereits verlegter Stolpersteine in Trier, Vorbereitung der Verlegung von Stolpersteinen durch die Erforschung des Schicksals von Einzelpersonen, die durch das NS-Regime Unrecht erlitten haben sowie die Ausarbeitung von Redebeiträgen bei der Verlegung von Stolpersteinen. Die AG arbeitet auch mit dem Arbeitskreis Erinnerung der Großregion der Universität Trier zusammen, der die Ergebnisse in einem Digitalen Erinnerungsatlas zusammenfasst. Die AG beschäftigt sich darüber hinaus mit der eigenen Schulgeschichte und insbesondere mit den jüdischen Schülern. Dadurch entstanden Kontakte mit deren Nachfahren in den USA. Ein Höhepunkt der Arbeit der AG war dabei ein Treffen mit Familienangehörigen aus Chicago.
Nach den Schulprojekten präsentierten Polizeikommissaranwärterin Minella Hoffmann (Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz) und Polizeikommissar Andreas Willgerodt (Polizeiinspektion Idar-Oberstein) die Ergebnisse ihrer Bachelorarbeiten an der Polizeihochschule. Die Arbeiten befassten sich jeweils mit einer Gestapo-Akte aus Trier bzw. Neustadt an der Weinstraße. Hoffmann analysierte anhand eines Fallbeispiels die Anwendung von Gewalt während der polizeilichen Vernehmung durch die Gestapo. Sie leistete abschließend einen Transfer auf den heutigen § 136a der Strafprozessordnung (StPO), der verbotene Vernehmungsmethoden beschreibt und 1950 in die StPO eingefügt wurde. Willgerodt sprach zum Thema „Zwischen Imagepflege der NSDAP im Raum Haßloch und der NS-Ideologie am Beispiel Richard Gross. Hier ging es um Reaktionen der NSDAP auf das eigenständige antisemitische Vorgehen des Parteimitgliedes Gross gegen eine jüdische Familie in den 1935er Jahren. Gross handelte aus persönlichen und ökonomischen Gründen. Obwohl Gross im Sinne der Partei handelte, distanzierte sich diese von seinen Methoden.
Nach den Vorträgen wurde die Gelegenheit zu Nachfrage genutzt, und während des sich anschließenden Umtrunks mit Imbiss blieb noch Zeit für viele anregende Gespräche. Dieter Schiffmann, der Vorsitzende des Fördervereins, konnte wiederum auf eine gelungene Veranstaltung zurückblicken. Auch die Bürgerbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragte für die Landespolizei, Barbara Schleicher-Rothmund, zeigte sich sichtlich beeindruckt von den Vorträgen.
(Gisela Fleckenstein)
OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
groschebulla (11. Oktober 2022). 5. Forum für Nachwuchshistoriker*innen am Landesarchiv Speyer. Archive Rheinland-Pfalz / Saarland. Abgerufen am 14. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/cw2a